Familienpsychologisches Gutachten: Ablauf

Der Ablauf eines familienpsychologischen Gutachtens ist meistens sehr simpel. Zunächst gilt es jedoch die Arbeitsweise der meisten Sachverständigen nachzuvollziehen. Die Devise des Sachverständigen ist wie für jeden Selbstständigen grundsätzlich mit möglichst wenig Aufwand den größtmöglichen Gewinn zu erzielen. Die oberste Richtschnur des Sachverständigen ist daher im Regelfall nicht das Kindeswohl, sondern die Profitmaximierung. Eine substantiierte Einzelfallprüfung findet von Seiten der gerichtlich bestellten Sachverständigen oftmals nicht statt. Eine Berufsethik sucht man bei dieser Berufsgruppe im Familienrecht meist vergeblich.

Hinzu kommt: Die Verantwortung einfach an den Sachverständigen abzutreten, ist für den Richter am bequemsten. Zugleich hat der Sachverständige in Haftungsfragen weitestgehend Narrenfreiheit. Die Rechtsprechung zur Sachverständigenhaftung lässt auch abenteuerliche Einschätzungen als subjektives Werturteil durchgehen. Dass dieses System bzw. dieses Konstrukt extrem fehleranfällig ist bzw. regelmäßig Fehlurteile produziert, sollte offenkundig sein.

Als Unsitte hat sich unter den gerichtlich bestellten Sachverständigen der Einsatz von sog. Testbatterien verbreitet, die u.a. auf www.testzentrale.de für jedermann frei erhältlich sind. Nach einem Gespräch mit den Verfahrensbeteiligten (im Regelfall die Eltern) über deren Biografie führt der Sachverständige ein Gespräch mit dem Kind, bei dem meist eine Testbatterie zum Einsatz kommt, sowie eine Beobachtung des Verhaltens zwischen dem Kind und den Verfahrensbeteiligten (im Regelfall Eltern-Kind-Interaktion) durch.

Obwohl die Testbatterien den wissenschaftlichen Gütekriterien nicht genügen, kommen sie im Rahmen der Profitmaximierung der gerichtlich bestellten Sachverständigen regelmäßig zum Einsatz. Bereits 2000 hat Prof. Dr. Werner Leitner in der Fachzeitschrift „Familie und Recht“ im Artikel „Zur Mängelerkennung in familienpsychologischen Gutachten“ darauf hingewiesen, dass standardisierte Testverfahren die Gütekriterien nicht hinreichend erfüllen. Geändert hat sich seitdem leider wenig. Laut der Studie der IB-Hochschule aus dem Jahr 2015 sind rund 75 Prozent aller Gutachten in familienrechtlichen Streitigkeiten in Deutschland mangelhaft. Kernkritikpunkt ist, dass im Regelfall projektive oder semi-projektive Testverfahren wie beispielsweise „Familie in Tieren“ verwendet werden, welche die wissenschaftlichen Gütekriterien nicht hinreichend erfüllen und somit im Endeffekt lediglich pseudowissenschaftliche Kaffeesatzleserei sind.

Die Ergebnisse der defizitären Testverfahren werden anschließend durch die Verhaltensbeobachtung untermauert. Selbst der GWG-Lobbyist Joseph Salzgeber warnt in seinem Buch „Familienpsychologische Gutachten“ vor dem Halo- und Hofeffekt bei der Verhaltensbeobachtung. Dies bedeutet, dass die vorgefasste Meinung des Sachverständigen durch eine selektive bzw. verzerrte Wahrnehmung bei der Verhaltensbeobachtung bestätigt wird. Abschließend baut der Sachverständige in sein Gutachten noch universelle (mal mehr und mal weniger zum konkreten Einzelfall passende) Copy&Paste-Textbausteine ein.

Vom arbeitsscheuen Einzelrichter am Familiengericht wird der Sachverständige dennoch auf ein Podest gestellt und quasi als unfehlbar dargestellt. Behauptet der Sachverständige, die Erde sei eine Scheibe, so steht im Gerichtsbeschluss – wenn keine privatgutachterliche Expertise eingeholt wurde –, dass der Sachverständige überzeugend darlegen konnte, dass die Erde eine Scheibe ist.

Viele gerichtlich bestellte Sachverständige sind – so deutlich muss man dies sagen – als Pfuscher oder Quacksalber zu bezeichnen. Viele Sachverständige neigen zur Selbstüberschätzung in Bezug auf ihre analytischen und diagnostischen Fähigkeiten. Der Spruch „Völlige Überzeugung bei völliger Ahnungslosigkeit“ bringt es oftmals gut auf den Punkt. Ein hoher akademischer Grad oder eine hohe berufliche Position ist im Übrigen keineswegs mit einer sachgerechten Gutachtertätigkeit gleichzusetzen. Nachfolgend finden Sie einen Auszug aus einer privatgutachterlichen Stellungnahme, die sich mit dem Sachverständigengutachten einer promovierten Chefärztin auseinandersetzt:

„Besonders abenteuerlich wird es auf Seite 40, als die vermeintliche Sachverständige das Kind einen Baum zeichnen lässt. So ist dort zu lesen: ,In einem weiteren projektiven Verfahren, der Baumzeichnung‚ lag der Baum ganz rechts auf dem Blatt, also emotional eher väterlich betont. Der Baum hatte Kirschen und man konnte ihn sowohl im Sommer wie im Winter sehen. Kräftiges Wurzelwerk. In die Zukunft gerichtet und zur väterlichen Seite hin zeigen sich depressive Momente, vergangenheitsbezogen und zur Mutter gerichtet eher freudige Tendenzen.’

Solche Äußerungen vermutet man bei einer Wahrsagerin auf dem Jahrmarkt, nicht jedoch in einem Sachverständigengutachten. Mit einer sachlichen Haltung und seriösen Psychodiagnostik hat dies jedenfalls nichts zu tun. Aus einer Baumzeichnung zu interpretieren, ,zur väterlichen Seite hin zeigen sich depressive Momente, vergangenheitsbezogen und zur Mutter gerichtet eher freudige Tendenzen’, ist eine Beleidigung für jeden seriösen Gutachter, der nicht als völlig irre gelten möchte.“

In der Rubrik Fehler haben wir die 6 häufigsten Fehler bei der Erstellung familienpsychologischer Gutachten zusammengefasst.

Anwaltliche Schriftsätze bringen – auch wenn inhaltlich zutreffend – in der 1. Instanz leider meist wenig. Das einzige wirksame Gegenmittel, um in der gegenwärtigen Briefkopf-Gesellschaft bereits in der 1. Instanz und damit zeitsparend zu einem Erfolg zu gelangen, ist die Erstellung eines Privatgutachtens mit psychologischer Fachexpertise. Ebenso bietet sich ein Privatgutachten in der 2. Instanz an, um dem Oberlandesgericht eine qualifizierte Gegenmeinung zum Sachverständigen vorzulegen und somit die Wahrscheinlichkeit zur Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses deutlich zu erhöhen. Ebenso ist ein Privatgutachten bereits im Eilverfahren hilfreich, wenn noch gar kein Sachverständigengutachten vom Gericht in Auftrag gegeben wurde.